Alessandro Magnasco, Zeichner
Meditierender Mönch (Hl. Bruno?), um 1730
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Alessandro Magnasco, Zeichner

Meditierender Mönch (Hl. Bruno?), um 1730

Alessandro Magnasco, Zeichner

Meditierender Mönch (Hl. Bruno?), um 1730

Magnasco hat wiederholt meditierende Mönche gemalt und gezeichnet. Zumeist treten sie als versatzstückartige Figuren in Landschaften oder Innenräumen auf.(Anm. 1) Die Hamburger Darstellung zählt dagegen zu einer kleineren Gruppe, bei der die Mönche bildbestimmendes Gewicht gewinnen. Hinsichtlich der Haltung und Proportionen der Figuren, der Faltung der Gewänder sowie den starken Lichtkontrasten weist das Blatt Übereinstimmungen mit einer ehemals in London bewahrten Darstellung des Hl. Bruno auf.(Anm.2) Der Stil der Hamburger Zeichnung erinnert zudem an ein Blatt mit einem halbnackten Flagellanten, das vielleicht ein Pendant darstellte.(Anm.3)
Eine weitgehend identische motivische Wiederholung der Hamburger Zeichnung befindet sich in Princeton.(Anm.4) Unterschiede betreffen vor allem die technische Ausführung. So weist das Hamburger Blatt eine stärkere Betonung der Konturen auf, wodurch die Gewandfalten, der Totenschädel und auch der Felsen klarer hervortreten. Der halbrunde Abschluss der Princeton-Zeichnung lässt vermuten, dass dieser Entwurf als Vorlage für ein Altarbild gedacht war. Da es auch andere ebenso gerahmte Studien Magnascos mit religiösen Motiven gibt (Anm.5), könnte das Princeton-Blatt ursprünglich zu einem Zyklus für einen Mönchsorden gehört haben.
Felton Gibbons sah im Vergleich beider Blätter keine wesentlichen Qualitätsunterschiede.(Anm.6) So ist hier eine bewusste Wiederholung des Künstlers anzunehmen. Denkbar ist auch, dass derartige eigenhändige Repliken bereits ganz bewusst für den im 18. Jahrhundert sich ausweitenden Sammlermarkt hergestellt wurden. Auf einen Sammler dürfte dann auch die relativ großformatige Bezeichnung „Alessandrino“ zurückzuführen sein.
Schwer zu entscheiden ist die Frage, ob es sich bei dem meditierenden Mönch ganz allgemein um einen Eremiten oder um einen bestimmten Vertreter eines kontemplativen Ordens handelt. Wiederholt wurden ähnliche Figuren Magnascos wegen ihrer Attribute wie dem langen Bart, dem Kreuz und der weißen Kutte als Kapuziner oder Kartäuser bezeichnet, was wohl zutreffend ist. Aufgrund des prononciert hervorgehobenen Totenschädels könnte man konkret an den häufig mit diesem Attribut gezeigten Hl. Bruno denken; doch wird der Gründer des Kartäuserordens gewöhnlich ohne Bart dargestellt.(Anm. 7)

David Klemm

1 Vgl. z. B. „Kapuzinermönche in Versenkung“, Madrid, Academia de Bellas Artes de San Fernando. Alessandro Magnasco 1667-1749, Ausst.-Kat. Mailand, Palazzo Reale, Mailand 1996, S. 238–239, Nr. 72, mit Abb.
2 Laura Muti, Daniele De Sarno Prignano unter Mitarbeit von Egidio Martini: Alessandro Magnasco. Faenza 1994, Kat.-Nr. 145, Abb. 236; ehemals London, Sammlung Sittwell. Der andere von Muti/De Sarno Prignano herangezogene Vergleich zu einer Darstellung des Hl. Bruno ist weniger überzeugend. Vgl. ebd., Kat.-Nr. 296, Abb. 461.
3 Ehemals Sammlung Geiger, Geiger 1949, Abb. 279, London, Courtauld Institute of Art, Inv.-Nr. 975.
4 Princeton, University Art Museum, Inv.-Nr. 47-82.
5 Cleveland, Museum of Art, John L. Severance Fund, Inv.-Nr. 48.13; vgl. Alessandro Magnasco 1667-1749, Ausst.-Kat. Mailand, Palazzo Reale, Mailand 1996, S. 276, Nr. 88.
6 Catalogue of Italian drawings in the Art Museum, Princeton University. 2 Bde., bearb. v. Felton Gibbons. Department of Art and Archaeology, Princeton University, Princeton 1977, I, S. 124, Nr. 411.
7 Vgl. Lexikon der Christlichen Ikonographie, hrsg. v. Engelbert Kirschbaum u. a., 8 Bde., Rom, Wien, Freiburg, Basel 1968-1976, V, Sp. 447–450.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Unten in der Mitte nummeriert: "102" (Bleistift); unten rechts bezeichnet: "Alessandrino" (Feder in Dunkelbraun); auf dem Verso Stempel der Hamburger Kunsthalle (L. 1233); unten in der Mitte Reste eines roten Siegels(?)

Provenienz

Francesco Dubini, Mailand (L. 987 a, hier ohne Stempel); Benno Geiger (1882-1965), Rodaun bei Wien; Kunsthandel Bachtstitz, Berlin, ? - 1915; dort erworben mit Mitteln aus dem Harzen-Legat, 1915

Bibliographie

David Klemm: Italienische Zeichnungen 1450-1800. Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 2, Köln u. a. 2009, S.225-226, Nr.307, Abb.Farbtafel S. 57

David Klemm: Von Leonardo bis Piranesi. Italienische Zeichnungen von 1450 bis 1800 aus dem Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, hrsg. von Hubertus Gaßner, David Klemm und Andreas Stolzenburg, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle, Bremen 2008, S.180-181, Abb., S. 233-234, Nr.83

Petra Roettig, Annemarie Stefes, Andreas Stolzenburg: Von Dürer bis Goya. 100 Meisterzeichnungen aus dem Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 2001, S.58-59, Nr.24, Abb.

Fausta Franchini Guelfi: Alessandro Magnasco. I disegni, Genua 1999, S.130, Nr.29, Abb.S. 31

Alessandro Magnasco 1667-1749, Ausst.-Kat. Mailand, Palazzo Reale 1996, S.280, Nr.90, Abb.S. 281

Hamburger Kunsthalle, hrsg. von Werner Hofmann, München 1985, S.196, Nr.438, Abb.

Luther und die Folgen für die Kunst, hrsg. von Werner Hofmann, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1983, S.383, Nr.254, Abb.

Felton Gibbons.: Catalogue of Italian Drawings in the Art Museum, Princeton University. I. Text; 2. Plates, Princeton 1977, S.124, Nr.411

Hundert Meisterzeichnungen aus der Hamburger Kunsthalle 1500-1800, Bd. 5, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1967, S.27, Nr.26, Abb.Taf. 26

Jacob Bean: Italian Drawings in the Art Museum, Princeton University, Princeton 1966, Nr. 72

V. T. [nicht aufgelöst]: Amburgo: Mostra di disegni italiani dal XV al XVIII secolo, in: Emporium. Rivista mensile illustrata d'arte e di cultura 76, 1957, Nr. 126, S. 228-229, S.229, Abb.

[Wolf Stubbe]: Italienische Zeichnungen 1500-1800. Ausstellung aus den Beständen des Kupferstichkabinetts, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1957, S.30, Nr.164, Abb.Taf. 24

Benno Geiger: I disegni del Magnasco, Padua 1945, S.XLI, Abb.Taf. 108

August Liebmann Mayer: Zeichnungen Alter Meister in der Kunsthalle zu Hamburg. Italiener, Pantheon Band II, 1928, S. 388, S.388

Odoardo H. Giglioli: [Anmerkungen zur Prestel-Mappe], in: Cronache d`Arte, 5, 1928, , S.263

Gustav Pauli: Zeichnungen Alter Meister in der Kunsthalle zu Hamburg. Italiener. Neue Folge, Frankfurt am Main 1927, Abb.Taf. 23

Ausstellung von Zeichnungen Alter Meister aus den Sammlungen der Kunsthalle zu Hamburg, Ausst.-Kat. Kunstverein in Hamburg 1920, S.18, Nr.96

Jahresbericht der Kunsthalle zu Hamburg für 1915, Hamburg 1916, S.17