Adam Pijnacker, (?)
Abgeriggtes Segelboot mit sitzendem Mann, um 1654
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Adam Pijnacker, (?)

Abgeriggtes Segelboot mit sitzendem Mann, um 1654

Adam Pijnacker, (?)

Abgeriggtes Segelboot mit sitzendem Mann, um 1654

Die Zeichnung war Cornelis van Poelenburch und Anthonie Waterloo zugeschrieben, bevor sie von Harzen unter dem Namen Adam Pijnackers inventarisiert wurde. Möglicherweise stand dem Vorbesitzer der enge motivische Bezug zu der Wiener „Flusslandschaft mit beladenen Kähnen“ vor Augen, auf der ein sehr ähnliches Boot den Vordergrund beherrscht.(Anm.1)
Eine andere Meinung vertrat Robert-Jan te Rijdt, der die Zeichnung in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts setzen würde, ausgehend von der Papierstruktur und der vergleichsweise „oberflächlichen und mechanischen Malweise“.(Anm.2) In diesem Fall hätte sich Harzen von einer zeitgenössischen Nachahmung täuschen lassen.
Einer derartigen Fehleinschätzung widerspricht jedoch das gewöhnlich sichere Urteilsvermögen Harzens. Auch das zwischen direkter Übereinstimmung und Abweichungen im Detail schwankende Verhältnis zu dem Gemäldemotiv weist eher auf Pijnackers eigene Hand. Das hier skizzierte Boot ist in gleicher perspektivischer Ausrichtung wiedergegeben wie auf dem Gemälde, bei nahezu identischer Bauweise. Die Übereinstimmungen betreffen auch die Ruderanlage, die Beschläge an der Bordwand rechts, die quer über den Bug gelegte Stange und das herabgelassene Segel. Abweichungen finden sich in der Ladung des Kahns: Auf dem Gemälde ist das Schiff beladen mit Fässern und Paketen, hier besteht die Fracht lediglich aus einem an gleicher Stelle platzierten Fass mit geöffnetem Deckel. Dafür nimmt hier das ausgebreitete Segel größeren Raum ein; zudem befinden sich zwei Männer an Bord des Lastkahns. Auf dem Gemälde wird die Spiegelung des Bootes in der Wasseroberfläche teilweise von den Umrissen des nahe gelegenen Ufers überschnitten, während sie hier unbeeinträchtigt wiedergegeben wurde.(Anm.3)
Den vielleicht entscheidenden Unterschied findet man in dem hier angedeuteten, auf dem Gemälde fehlenden Mast. Der dargestellte Bootstyp führte ein sogenanntes Lateinsegel, das mithilfe von Ringen an einer langen Rute befestigt war.(Anm.4) Beim Segelsetzen wurde dieses Rundholz in diagonaler Stellung etwa auf halber Höhe des Mastes befestigt. Diese Takelung war im Mittelmeerraum weit verbreitet. Die Darstellung auf der Hamburger Ölskizze ist also mit Blick auf die Bauweise des Schiffes sinnvoll und scheint direkt nach dem Leben beobachtet zu sein. Wenn Pijnacker auf dem Gemälde auf die Darstellung des Mastes verzichtete, dann wohl aus kompositorischen Gründen, um das sorgfältig austarierte Gleichgewicht einer von Horizontalen dominierten Bildanlage nicht durch einen unnötigen Vertikalakzent zu stören.(Anm.5)
Gestützt wird die Zuschreibung an Pijnacker durch die Existenz von zwei weiteren Ölstudien des Künstlers, deren eine ebenfalls auf Papier gearbeitet ist,(Anm.6) während die andere unserem Blatt in den summarisch erfassten, „gesichtslosen“ Figuren nahe steht.(Anm.7)

Annemarie Stefes

1 Wien, Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste, Inv.-Nr. 828, Renate Trnek: Die holländischen Gemälde des 17. Jahrhunderts in der Gemäldegalerie der Akademie der Bildenden Künste in Wien, Wien u.a. 1992, Nr. 103, um 1654.
2 Mündlich, 23. 2. 2008, nach Untersuchung des Originals bei Streiflicht; bestätigt am 23. 12. 2009.
3 Abweichungen finden sich auch in der Farbgebung des Bootsrumpfes kurz oberhalb der Wasserlinie: Auf dem Bild ist auch die untere Backbordseite neben dem Vordersteven in einem helleren Farbton abschattiert.
4 Für diese Information danke ich Remmelt Daalder vom Nederlands Scheepvaartmuseum Amsterdam (Mitteilung per E-Mail, 17. 2. 2010).
5 Auf anderen Gemälden Pijnackers mit ähnlichem Bootstyp ist der Mast dargestellt, dies aber im Einklang mit der jeweiligen Komposition: So findet auf einem Bild in Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. SK-A-321, Laurie B. Harwood: Adam Pynacker (c. 1620-1673), Dornspijk 1988, Nr. 74, der durch den Mast gesetzte Vertikalakzent seine Wiederaufnahme in der Gestaltung der Landschaftselemente.
6 „Liegender Jagdhund und totes Reh“, um 1658, Amsterdams Historisch Museum, Inv.-Nr. TA 10372, Ben Broos, Marijn Schapelhouman: Nederlandse Tekenaars geboren tussen 1600 en 1660, Oude tekeningen in het bezit van het Amsterdams Historisch Museum, waaronder de collectie Fodor, Bd. 4, Amsterdam/Zwolle 1993, Nr. 106.
7 Wien, Akademie der Bildenden Künste, Inv.-Nr. 735, Laurie B. Harwood: Adam Pynacker (c. 1620-1673), Dornspijk 1988, S. 211, Appendix III, Nr. 2, Abb. 52.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Bezeichnet verso unten links: "W [oder M?] H [? N?]o / I. M. R." (Bleistift, L. deest); rechts daneben von anderer Hand: "L" (Bleistft, L. deest); unten rechts von der M.: "Cornelius Poelenburg" (Bleistift), oberhalb davon, ausgelöscht: "Waterlous [?]" (Bleistift); Mitte L. 1233; oben Mitte nummeriert: "57" (Bleistift); Mitte, im Gegensinn: "28 Huy Wer. [?]" (Bleistift)

Wasserzeichen / Kettenlinien

Name, schwer leserlich (H.A..H)
27-28 mm (h)

Provenienz

Georg Ernst Harzen (1790-1863), Hamburg (L. 1244) (NH Ad:01:02, fol. 50: "Adam Pynacker Vollendete Oelstudie eines großen Bootes mit niedergelassenem Segel Auf Papier. 9.7.5.6"; NH Ad: 02: 01, S. 265); Legat Harzen 1863 an die „Städtische Gallerie“ Hamburg; 1868 der Stadt übereignet für die 1869 eröffnete Kunsthalle

Bibliographie

Stefes, Annemarie: Niederländische Zeichnungen 1450-1850. Katalog II van Musscher - Zegelaar, hrsg. von Gaßner, Hubertus und Stolzenburg, Andreas, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 3, Böhlau Verlag Köln Weimar Wien 2011, S.449-450, Nr.836