Abraham Jansz. Begeyn, zugeschrieben Jan Both, ehemals zugeschrieben
Ansicht von Francheville bei Lyon, 1679 - 1682
Zurück Bildinfos ➕ 🗖

Abraham Jansz. Begeyn, zugeschrieben Jan Both, ehemals zugeschrieben

Ansicht von Francheville bei Lyon, 1679 - 1682

Abraham Jansz. Begeyn, zugeschrieben Jan Both, ehemals zugeschrieben

Ansicht von Francheville bei Lyon, 1679 - 1682

Die starken Licht-Schatten-Kontraste, der vibrierend getupfte Baumschlag und die fein akzentuierten Architekturdetails gehören zu den charakteristischen Stilmitteln niederländischer Italianisanten. Das Motiv jedoch ist französisch: Es handelt sich um eine Ansicht des bei Lyon gelegenen Städtchens Francheville. Von Norden blickt man auf das steile Ufer des halb ausgetrockneten Flusses Yzeron, bekrönt von den Mauern des mittelalterlichen Schlosses und angrenzenden Gebäuden. Vermutlich aufgrund dieser Ruinen, die als Relikte der Römerzeit mißverstanden wurden, übte die Ortschaft auf niederländische Künstler eine besondere Anziehungskraft aus.(Anm.1) Als Bildmotiv gleichermaßen beliebt war die markante Steinbrücke, die sich links außerhalb des Bildausschnittes befindet.
Einen Eindruck von den örtlichen Zusammenhängen gibt die Gegenüberstellung mit einer Jan Asselijn zugeschriebenen Zeichnung in Cambridge.(Anm.2) Dort erkennt man links den Brückenkopf neben den kleinen Gebäuden und Resten der Schlossmauer. Auf einer Jan Wils bzw. seinem Sohn Joan zugeschriebenen Zeichnung in London blickt man von Norden auf die Brücke.(Anm.3) Das auf diesen Ansichten auffällige Haus mit den beiden herausragenden Dachbalken ist auch zu erkennen auf der anonymen „Ansicht von Francheville aus südlicher Richtung“, die eine räumliche Verbindung schafft zwischen diesen Zeichnungen und dem Hamburger Blatt: Dort erkennt man rechts den Rundturm und die zinnenbekrönte Mauer der Hamburger Zeichnung.(Anm.4)
Die bislang Jan Both zugeschriebene Zeichnung wurde zuletzt von Hans Buijs und Peter Schatborn der recht umfangreichen Gruppe der Wils-Zeichnungen angeschlossen.(Anm.5) Buijs sah eine Verbindung zu zwei mit Wils assoziierten Blättern in London.(Anm.6) Noch näher steht ihr freilich eine signierte „Ansicht der Brücke von Francheville“ des Abraham Begeyn in Wien bei gleichermaßen locker getupfter Pinselführung.(Anm.7)
Die Wiener Zeichnung und das Hamburger Blatt – frei von figürlicher Staffage und mit unverstelltem Vordergrund – könnten ,in situ‘ entstanden sein, was in unserem Falle auch durch das französische Papier bestätigt wäre. Auch das Wasserzeichen aus den frühen 1680er Jahren ginge mit einer Zuschreibung an Begeyn konform, der sich zwischen 1679 und 1682 in Paris aufhielt, während der Frankreichaufenthalt von Jan bzw. Joan Wils um 1650 bzw. 1654/56 angesetzt wird.(Anm.8)
Möglicherweise sind auch die bereits erwähnten Londoner „Wils“-Zeichnungen dem noch weitgehend unerforschten Œuvre Begeyns anzuschließen. Sie sind in gleicher Technik gearbeitet wie das vorliegende Blatt, aber deutlich größer dimensioniert und mit figürlicher Staffage versehen, waren also sicher als autonome Kunstwerke angelegt. In der Wiedergabe des Baumschlags stehen sie der Wiener Begeyn-Zeichnung sehr nahe, während die Gestaltung der Staffagefiguren und die Behandlung des Vordergrundes an eine datierte Begeyn-Zeichnung von 1666 erinnern.(Anm.9)
Die rückseitigen Provenienzangaben sind teilweise irreführend: Weder lässt sich das Blatt auf der Auktion Ploos van Amstels identifizieren, noch trägt es eine der Marken des Sammlers (Lugt 2034, 2117, 2118, 3002–3004).

Annemarie Stefes

1 Stijn Alsteens, Hans Buijs: Paysages de France dessinés par Lambert Doomer et les artistes hollandais et flamands des XVI.e et XVII.e siècles, Paris 2008, S. 202.
2 „Schloss und Brücke von Francheville“, Cambridge, Fitzwilliam Museum, Inv.-Nr. PD.276-1963, Stijn Alsteens, Hans Buijs: Paysages de France dessinés par Lambert Doomer et les artistes hollandais et flamands des XVI.e et XVII.e siècles, Paris 2008, Nr. 83; auf die Nähe zu unserem Blatt verwies Scrase, in: David Scrase: Das goldene Jahrhundert. Holländische Meisterzeichnungen aus dem Fitzwilliam Museum Cambridge, Ausst.-Kat. München, Staatliche Graphische Sammlung; Heidelberg, Kurpfälzisches Museum; Braunschweig, Herzog Anton Ulrich-Museum; Cambridge, The Fitzwilliam Museum, 1995/96, Nr. 37.
3 London, British Museum, Department of Prints and Drawings, Inv.-Nr. 1927,0411.12.
4 Besançon, Musée des Beaux-Arts et d’Archéologie, Inv.-Nr. D 548, Stijn Alsteens, Hans Buijs: Paysages de France dessinés par Lambert Doomer et les artistes hollandais et flamands des XVI.e et XVII.e siècles, Paris 2008, S. 202, Abb. r.
5 Charakteristische Merkmale des Both-Stils wie die stärkere Betonung der Konturen und der dadurch prägnanter wirkende Baumschlag fehlen auf unserer Zeichnung, vgl. die in Peter Schatborn, Drawn to Warmth. 17th-century Dutch artists in Italy, Ausst.-Kat. Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Zwolle 2001, S. 92–99 aufgeführten sicheren Zeichnungen des Künstlers. Wenig aufschlussreich sind die von Anne-Charlotte Steland-Stief: Zum zeichnerischen Werk des Jan Asselyn, in: Oud Holland 94, 1980, S. 213-258 aufgeführten Vergleichsbeispiele in Leiden, Prentenkabinet der Universiteit, Inv.-Nr. PK-P-AW 1161 und München, Staatliche Graphische Sammlung, Inv.-Nr. 1825, Wolfgang Wegner: Die niederländischen Handzeichnungen des 15.-18. Jahrhunderts. Textband, Kataloge der Staatlichen Graphischen Sammlung München, 2 Bde, München 1973, Nr. 309. – Die Assoziation mit der Wils-Gruppe wurde vorgeschlagen von Hans Buijs (E-Mail vom 28. 1. 2006) und Peter Schatborn auf dem Symposium „Niederländische Altmeisterzeichnungen 1500 bis 1800“ am 21. und 22. 2. 2008 im Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle.
6 Stijn Alsteens, Hans Buijs: Paysages de France dessinés par Lambert Doomer et les artistes hollandais et flamands des XVI.e et XVII.e siècles, Paris 2008, S. 286 Abb. d und S. 289, Anm. 28: London, British Museum, Department of Prints and Drawings, Inv.-Nr. SL,5236.125 (318 x 477 mm) und Inv.-Nr. SL,5236.126 (317 x 468 mm); die Zuschreibung dieser als Werke Jan Asselijns verwahrten Zeichnungen an Wils wurde vorgeschlagen von Peter Schatborn.
7 Wien, Grafische Sammlung Albertina, Inv.-Nr. 10258 (340 x 282 mm), Stijn Alsteens, Hans Buijs: Paysages de France dessinés par Lambert Doomer et les artistes hollandais et flamands des XVI.e et XVII.e siècles, Paris 2008, Nr. 107; vgl. ebd. S. 339.
8 Zu Begeyns Frankreichaufenthalt vgl. Stijn Alsteens, Hans Buijs: Paysages de France dessinés par Lambert Doomer et les artistes hollandais et flamands des XVI.e et XVII.e siècles, Paris 2008, S. 339; zu Vater und Sohn Wils ebd. S. 279, 283 und 288.
9 Wien, Grafische Sammlung Albertina, Inv.-Nr. 10255, Die Landschaft im Jahrhundert Rembrandts. Niederländische Zeichnungen des 17. Jahrhunderts aus der Graphischen Sammlung Albertina, Ausst.-Kat. Wien, Graphische Sammlung Albertina, Wien 1993, Nr. 94.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Auf dem Verso in der Mitte Stempel der Hamburger Kunsthalle (L. 1328); unten links: Stempel der Sammlung Rhodin (L. 2179); daneben bezeichnet: "Coll. Ramboux" (Bleistift); daneben bezeichnet: "Coll. Ploos van Amstel" (roter Stift); unterhalb davon bezeichnet: "Coll. Ramboux (Cologne)" (Feder in Schwarz und Aufkleber); unten in der Mitte bezeichnet: "Coll. Ploos van Amstel (Amsterdam)" (Feder in Schwarz und Aufkleber); unten rechts bezeichnet: "I.Both" (Feder in Schwarz, alles von einer Hand)

Wasserzeichen / Kettenlinien

Weintrauben, ähnlich Heawood 2290 (Paris 1682) bzw. 2291, 2299 (jeweils Paris 1684) (Stengel stärker gekrümmt, Weinbeeren enger zusammen)
ca. 29 mm (h)

Provenienz

Johann Anton Alban Ramboux (1790–1866), Köln; dessen Auktion, Köln 1867/68 (Lugt Ventes 30124); Carl Fredrik Christian Rhodin (1821–1886), Altona bei Hamburg (L. 2179); wahrscheinlich zwischen 1869 und 1886 durch Schenkung oder Erwerbung aus unbekannter Quelle in den Besitz der Hamburger Kunsthalle gelangt

Bibliographie

Stefes, Annemarie: Niederländische Zeichnungen 1450-1850. Katalog I Van Aken-Murant, hrsg. von Gaßner, Hubertus und Stolzenburg, Andreas, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 3, Böhlau Verlag Köln Weimar Wien 2011, S.93-94, Nr.58

Stijn Alsteens, Hans Buijs: Paysages de France dessinés par Lambert Doomer et les artistes hollandais et flamands des XVI.e et XVII.e siècles, Paris 2008, S.289, Anm. 28

Das goldene Jahrhundert. Holländische Meisterzeichnungen aus dem Fitzwilliam Museum Cambridge, Ausst.-Kat. Staatliche Graphische Sammlung München u.a. 1995, S.bei Nr. 37

Marjorie Elizabeth Wiesemann: A Seventeenth-Century Artist's Sketchbook in the Collection of the Allen Memorial Art Museum, in: Allen Memorial Art Museum Bulletin 48, 1994, S. 3-23, S.23, Anm. 20

Anne-Charlotte Steland-Stief: Zum zeichnerischen Werk des Jan Asselyn, in: Oud Holland 94, 1980, S. 213-258, S.214, Anm. 2