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Klasse Gesellschaft

Alltag im Blick niederländischer Meister. Mit Lars Eidinger und Stefan Marx
Pieter de Hooch (1629 - 1684) Der Liebesbote, 1670 © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Elke Walford

Presseinformation

Mit Klasse Gesellschaft widmet die Hamburger Kunsthalle einem Kapitel einer der facettenreichsten Epochen der europäischen Kunstgeschichte – der Kunst des holländischen und flämischen 17. Jahrhunderts – und ihren renommiertesten Vertretern eine umfassende Ausstellung, in der die beiden zeitgenössischen Künstler Lars Eidinger und Stefan Marx die Themen und Motive der Alten Meister mit neuen Arbeiten reflektieren. Ausgangspunkt der mit rund 150 Werken groß angelegten Schau ist der hochkarätige Bestand der Hamburger Kunsthalle an Genremalerei niederländischer und flämischer Meister, die den Schwerpunkt des Sammlungsbereiches Alte Meister der Kunsthalle bildet. Die Gemälde werden um Zeichnungen und druckgraphische Arbeiten aus dem Kupferstichkabinett der Kunsthalle ebenso ergänzt wie um ca. 50 bedeutende Leihgaben aus großen europäischen Museen, darunter das Rijksmuseum Amsterdam, das Museo Nacional Thyssen-Bornemisza Madrid, das Kunsthistorische Museum Wien, das Nationalmuseum Stockholm, das Kunstmuseum Basel und die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen München. Rund ein weiteres Drittel der ausgestellten Arbeiten stammt von dem Zeichner Stefan Marx, der eigens für die Ausstellung Schriftbilder realisiert und von Lars Eidinger, von dem Fotografien und Videoarbeiten präsentiert werden.

Die Malerei erlebte im 17. Jahrhundert in den Niederlanden im Zuge der wirtschaftlichen Entwicklung einen großen Aufschwung. Dabei erfuhr die Genremalerei aufgrund ihrer sehr realitätsnah wirkenden Darstellungen bei wohlhabenden Bürgern und Kaufleuten eine hohe Wertschätzung. Unter den gemalten Alltagsszenen waren neben den eleganten, atmosphärischen Interieurs und familiären Szenen der Delfter Feinmaler um Johannes Vermeer (1632–1675) und Pieter de Hooch (1629–1684) ebenso die überspitzten, ironischen Schilderungen des bäuerlichen Milieus und zügellosen Treibens der einfachen Leute von Jan Steen (1626–1679) oder David Teniers (1610–1690) beliebt. In acht Kapiteln entfaltet die Aus-stellung einen Rundgang von der Darstellung der Frau und dem Motiv des Briefschreibens und –empfangens, über die feiernden, trinkenden und rauchenden Bauern sowie die Soldaten in ihren Wachstuben und das Thema Spiele und Zeitvertreib bis zu den Wissenschaftlern und Quacksalbern sowie den Winterstücken. Die Schau schließt mit den Gesellschaftsbildern damals und heute. Eingewoben sind Fotografien und Videoarbeiten von Lars Eidinger (*1976) und Schriftbilder von Stefan Marx (*1979). Eidinger hat eine ganz eigene Affinität zur Kunst der Alten Meister, mit der er sich bereits u.a. in Theaterarbeiten beschäftigt hat. Seine fotografischen Momentaufnahmen spiegeln überwiegend Alltagsbeobachtungen wider. Die Arbeiten von Stefan Marx variieren zwischen Komik und Groteske. Sein Merkmal ist eine pointierte Schwarz-Weiß-Malerei, die auf Texten beruht.

Dem häufigen Vorurteil, dass die Kunst der Alten Meister und ihr Entstehungskontext nur wenig mit den komplexen Zusammenhängen und Themen von heute zu tun hat, möchte Klasse Gesellschaft mit Querverweisen zwischen den Darstellungen des 17. Jahrhunderts und den aktuellen gesellschaftskritischen Fragestellungen des 21. Jahrhunderts entgegenwirken. Wichtige thematische und motivische Anknüpfungspunkte sind dabei die inszenierten Darstellungen des niederländischen Bürgertums des 17. Jahrhunderts und die Mittel der Kommunikation: Heutige Motivationen inszenierter Darstellungen und die damit verbundenen Erwartungen unterscheiden sich kaum von den Damaligen. Durch die vermeintlich ungewöhnliche Gegenüberstellung von scheinbar ganz andersartigen künstlerischen Positionen von Stefan Marx und Lars Eidinger entsteht ein größerer Kontext und ein spannender Dialog, der neue Blicke und Sichtweisen auf die Kunst der Alten Meister ermöglicht. Klasse Gesellschaft spannt so einen ungewöhnlich neuartigen Bogen vom 17. Jahrhundert in die heutige Zeit, deckt überraschende Parallelen auf und stößt eine Diskussion kontroverser Themen an.

Zur Ausstellung erscheint ein reich illustrierter Katalog, der neben zahlreichen Essays von renommierten Expert*innen auch ausführliche Interviews mit Lars Eidinger und Stefan Marx beinhaltet, sowie ein Begleitheft, das an der Hamburger Kunsthalle erstmals als Graphic Novel angeboten wird. Ein Audioguide stellt an rund 30 Stationen historische, soziale und politische Hintergründe sowie Entstehungsgeschichten zu ausgewählten Werken, Provenienzen und Verweise auf kunsttechnologische Besonderheiten bereit. Zudem wird ein animierter Film produziert, der neben Einblicken in die Ausstellung auch die Künstler in kurzen Porträts vorstellt und sie in den größeren historischen Kontext ihrer Zeit einbettet.

 

Gefördert von: Behörde für Kultur und Medien Hamburg, Dorith & Alexander Otto Stiftung, Kulturstiftung der Länder, Ernst von Siemens Kulturstiftung

Kulturpartner: NDR Kultur
Medienpartner: Hamburger Abendblatt
Mobilitätspartner: MOIA