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Klasse Gesellschaft

Alltag im Blick niederländischer Meister. Mit Lars Eidinger und Stefan Marx
Pieter de Hooch (1629 - 1684) Der Liebesbote, 1670 © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Elke Walford

Presseinformation

Mit Klasse Gesellschaft widmet die Hamburger Kunsthalle einem Kapitel einer der facettenreichsten Epochen der europäischen Kunstgeschichte – der Kunst des holländischen und flämischen 17. Jahrhunderts – und ihren renommiertesten Ver-tretern eine umfassende Ausstellung, in der die beiden zeitgenössischen Künstler Lars Eidinger (*1976) und Stefan Marx (*1979) die Themen und Motive der Alten Meister mit neuen Arbeiten reflektieren. Ausgangspunkt der mit rund 200 Werken groß angelegten Schau ist der hochkarätige Bestand der Hamburger Kunsthalle an Genremalerei niederländischer und flämischer Meister, der einen Schwerpunkt des Sammlungsbereiches Alte Meister der Kunsthalle bildet. Die Gemälde werden um Zeichnungen und druckgraphische Arbeiten aus dem Kupferstichkabinett der Kunst­­halle ebenso ergänzt wie um ca. 80 bedeutende Leihgaben, unter anderem aus dem Metropolitan Museum New York und der Eremitage St. Petersburg sowie aus großen europäischen Museen wie dem Rijksmuseum Amsterdam, dem Museo Nacional Thyssen-Bornemisza Madrid, dem Kunsthistorischen Museum Wien, dem Nationalmuseum Stockholm, dem Kunstmuseum Basel und der Bayerischen Staats­gemäldesammlungen München. Rund ein weiteres Drittel der ausgestellten Arbeiten stammt von dem Künstler Stefan Marx, der eigens für die Ausstellung Schriftbilder realisiert hat und von Lars Eidinger, von dem Fotografien und Video­arbeiten präsentiert werden.

Die Malerei erlebte im 17. Jahrhundert in den Niederlanden im Zuge der wirt-schaftlichen Entwicklung einen großen Aufschwung. Dabei erfuhr die Genrema-lerei aufgrund ihrer sehr realitätsnah wirkenden Darstellungen bei wohlhabenden Bürger*innen und Kaufleuten eine hohe Wertschätzung. Äußerst beliebt unter den gemalten Alltagsszenen waren die eleganten, atmosphärischen Interieurs und fami­­liären Szenen der Delfter Feinmaler um Pieter de Hooch (1629–1684) – von dem allein 20 Gemälde präsentiert werden. Ebenso populär waren die überspitz­ten, ironischen Schilderungen des bäuerlichen Milieus und zügellosen Treibens der einfachen Leute, wie sie der niederländische Künstler Jan Steen (1626–um 1679) aber auch die Flamen David Teniers d. J. (1610–1690) sowie Adriaen Brouwer (1605/06–vor 1638) malten. In acht Kapiteln entfaltet die Ausstellung einen Rund­­gang von der Darstellung der Frau und dem Motiv des Briefschreibens und –emp­fangens, über die feiernden, trinkenden und rauchenden Bauern sowie die sozia­len Ungleichheiten und das Thema Spiele und Zeitvertreib bis zu den Wissen­schaft­­lern und Quacksalbern sowie den Winterstücken.

Teilweise eingewoben bzw. in eigenen, in den Rundgang integrierten Bereichen sind Fotografien und Videoar­beiten von Lars Eidinger und Schriftbilder von Stefan Marx. Eidinger hat eine ganz eigene Affinität zur Kunst der Alten Meister, mit der er sich bereits u.a. in Theater­arbeiten beschäftigt hat. Seine Motive spiegeln das alltägliche Leben: Es sind lebendige und tiefsinnige, teilweise humorvolle Bilder, die sich offenbaren. Scheinbar banale Alltagsszenen, die sich bei näherem Hinsehen als vielschichtige Beobachtungen der Wirklichkeit herausstellen, die das vermeintlich Nebensäch­liche in den Mittelpunkt rücken. Ohne zu moralisieren, sind seine Fotografien Kom­mentare und bringen uns dazu, genau hinzuschauen und uns und unser Handeln in Frage zu stellen. Den Sprachbildern von Stefan Marx gelingt es durch ihre grundsätzliche Offenheit und Allgemeingültigkeit, neue Perspektiven in der Auseinandersetzung mit den niederländischen Genreszenen zu erschließen. Er kommentiert die Darstellungen. Durch diese zugespitzte Gegenüberstellung entsteht eine spannungsvolle Wechselwirkung: die überraschend ungebrochene Aktualität der Alten Meister wird erfahrbar – die darge­stellten Figuren erscheinen lebendig.

Dem häufigen Vorurteil, dass die Kunst der Alten Meister und ihr Entstehungskontext nur wenig mit den komplexen Zusammenhängen und Themen von heute zu tun hat, möchte Klasse Gesellschaft mit Querverweisen zwischen den Darstellungen des 17. Jahrhunderts und den aktuellen gesellschaftskritischen Fragestellungen des 21. Jahrhunderts entgegenwirken. Durch die vermeintlich ungewöhnliche Gegenüber­stellung von scheinbar ganz andersartigen künstlerischen Positionen von Eidinger und Marx entsteht ein größerer Kontext und ein spannender Dialog, der neue Sichtweisen auf die Kunst ermöglicht. Der Ausstel­lungstitel ist als Wortspiel zu verstehen, das einerseits als positiver Ausspruch erscheint, aber zugleich die Klassen­­­gesellschaft impliziert und auf Klassenunterschiede verweist. Alle ausge­stell­ten Werke sind unmit­tel­bar mit der Gesellschaft verwoben: Die Künstler des 17. Jahrhunderts verarbeiteten ihre Momentauf­nahmen mit ihrer Fantasie – angereichert in Bildern, Zeichnungen und Druckgraphiken. Lars Eidinger hält seine alltäglichen Beobachtungen in Fotografien und Videoarbeiten fest. Stefan Marx verbin­det das Gese­he­ne und Gehörte mit Musikzitaten und überträgt es in Schriftbilder. So liefern alle vertretenen Künstler mit Blicken auf die Gesellschaft ein visuelles Zeugnis der Welt, in der sie lebten oder leben. Klasse Ge­sell­schaft spannt damit einen ungewöhnlich neuartigen Bogen vom 17. Jahrhun­dert in die heutige Zeit, deckt überraschende Parallelen auf und stößt eine Diskussion kontroverser Themen an.

Zur Ausstellung erscheint ein reich illustrierter Katalog, der neben zahlreichen Essays von renommierten Expert*innen auch Interviews mit Lars Eidinger und Stefan Marx beinhaltet. Die Publikation (366 Seiten) ist im Museumsshop zum Preis von 35 Euro erhältlich oder über www.freunde-der-kunsthalle.de zum Buch­handelspreis zu beziehen. Begleitend wird zudem ein Künstlerheft von Stefan Marx veröffentlicht (3 Euro), in dem er zeichnerisch und humorvoll auf Bilder der Alten Meister reagiert und diese damit »zum Sprechen bringt«. Ein Audioguide stellt an rund 30 Stationen historische, soziale und politische Hintergrün­de sowie Entstehungsgeschichten zu ausgewählten Werken, Provenienzen und Verweise auf kunsttechnologische Be­sonderheiten bereit. Ein animierter Film stellt neben Einblicken in die Ausstellung auch die Künstler in kurzen Porträts vor und bettet sie in den größeren historischen Kontext ihrer Zeit ein.

 

Dr. Carsten Brosda, Senator für Kultur und Medien:
»Dr. Carsten Brosda, Senator für Kultur und Medien: „Die Ausstellung Klasse Gesellschaft stellt über die Kunst überraschende Bezüge zwischen dem 17. Jahrhundert und heute her. Die Kunst der Alten Meister geht dabei eine spannende Verbindung mit den zeitgenössischen Arbeiten von Stefan Marx und Lars Ei­dinger ein. Einmal mehr gelingt es der Hamburger Kunsthalle, die Werke früherer Jahrhunderte ins Spannungsverhältnis zur Gegenwart zu setzen und macht so deutlich, wie viel uns die Werke heute noch zu sagen haben.«

 

Dr. Volkmar Herms, Vorstandsvorsitzender Hubertus-Wald-Stiftung:
»Die Hubertus Wald Stiftung freut sich auf Klasse Gesellschaft. Besonders begrüßen wir, dass die Hamburger Kunsthalle auf diese Weise ihren großen Bestand an hervorragenden Niederländern wieder einmal der Öffentlichkeit prominent vor Augen führt. Bei dem Hamburger Publikum dürfte das Thema der Ausstellung auch deswegen starkes Interesse wecken, weil die niederländischen Maler jener Epoche außer­ordentlich erfolgreich bei der Vermarktung ihrer Kunstwerke waren und damit zeigten, dass hervor­ragendes künstlerisches Talent auch mit gesundem Erwerbsstreben und kaufmännischem Talent verbunden werden kann. Ein Talent, dass bekanntlich in der Hansestadt durchaus geschätzt wird, und auch unserem Stifter Hubertus Wald sehr sympathisch gewesen wäre.«

 

Dorit und Alexander Otto, Stifterehepaar:
»Wir sind beeindruckt, dass es der Hamburger Kunsthalle gelungen ist, so viele renommierte Werke aus dem Goldenen Zeitalter der Niederlande aus so namhaften Museen auf der ganzen Welt in dieser Ausstel­lung zusammenzutragen. Gespannt sind wir auf den Dialog der historischen Werke mit den Neuinterpre­tationen von Lars Eidinger und Stefan Marx. Die Besucherinnen und Besucher dürfen sich auf eine groß­artige Ausstellung freuen!«

 

Prof. Dr. Markus Hilgert, Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder:
»Mit der Ausstellung Klasse Gesellschaft wirft die Hamburger Kunsthalle einen Blick auf ihren einzig­artigen Bestand der niederländischen und flämischen Alten Meister und analysiert und vermittelt deren Themen und Motive unter heutigen Fragestellungen. Ich freue mich, dass die Kulturstiftung der Länder mitwirken konnte an dem Zustandekommen dieser Ausstellung, die uns einmal mehr vor Augen führen wird, wie sehr auch Alte Kunst uns heute anregen, inspirieren und herausfordern kann.«

 

Dr. Martin Hoernes, Generalsekretär der Ernst von Siemens Kunststiftung:
»Die Ausstellung erlaubt spannende Einblicke in eine der facettenreichsten Epochen der europäischen Kunstgeschichte. Dabei geben die Kunstwerke der bekanntesten Protagonisten des ‚Goldene Zeitalters‘ der niederländischen Malerei wie Pieter de Hooch, Jan Steen oder David Teniers auch Aufschluss zu gesell­schafts­kritischen Fragestellungen des 21. Jahrhunderts. Die umfangreiche und qualitätsvolle Sammlung der Hamburger Kunsthalle wird voll ausgeschöpft.«

 

Gefördert von: Behörde für Kultur und Medien Hamburg, Dorith & Alexander Otto Stiftung, Kulturstiftung der Länder, Ernst von Siemens Kulturstiftung

Kulturpartner: NDR Kultur
Medienpartner: Hamburger Abendblatt
Mobilitätspartner: MOIA