Felix Gonzalez-Torres, »Untitled« (Fortune Cookie Corner), 1990

In goldenes, glitzerndes Zellophanpapier verpackt liegen Glückskekse aufgehäuft in einer Raumecke der Sammlung Alte Meister. Es ist die Arbeit »Untitled« (Fortune Cookie Corner) (1990) von Felix Gonzalez- Torres. Wir sind eingeladen, einen Glückskeks zu nehmen, ihn zu verzehren und so gleichsam Teil der Arbeit zu werden. Der 1996 an AIDS verstorbene kubanische Künstler setzt sein Werk einem permanenten Veränderungsprozess aus – durch die Partizipation des Publikums wird es vollendet, indem es verschwindet. Der rot-golden glänzenden Verpackung und der kindlichen Freude auf eine Süßigkeit stellt Felix Gonzalez-Torres das Gefühl von Melancholie gegenüber. Der Künstler verhandelt in vielen seiner Arbeiten Themen des Verschwindens, der Trauer und des Verlusts. Das Einverleiben der Glückskekse kann als Verweis auf den Lebenskreislauf aus Geburt, Tod und möglicher Auferstehung verstanden werden – zentrale christliche Bildthemen, die auch der deutsche Maler Barthel Beham in seinem Gemälde Vanitas (1540) verhandelt. Hier nähert sich ein Sensenmann einer weiblichen Aktfigur. Ein Knabe schmiegt sich an die junge Frau, hinter ihr liegt der Leichnam einer älteren Frau. Abgestorbene Äste, welke Blätter und ein ruinenhafter Torbogen unterstreichen das Thema der Vergänglichkeit. Schönheit und Verfall, Leben und Tod, Jugend und Alter – Barthel Beham und Felix Gonzalez-Torres treten hier in einen spannenden, die Jahrhunderte und die Kontinente überwindenden Dialog über das Leben und seine Veränderung.

»Untitled« (Fortune Cookie Corner) ist Teil einer Ausstellung vom 25. Mai bis zum 5. Juli 2020. Die Felix Gonzalez-Torres Foundation, New York, hat hierfür weltweit 1.000 Personen eingeladen, das Werk an einem Ort der Wahl zu realisieren. Brigitte Kölle, Sammlungsleiterin für die Gegenwartskunst und eine der eingeladenen Personen, hat hierfür bewusst das Gespräch mit den Alten Meistern gesucht.