Vorträge

Entfällt: Trauer zwischen individueller Erfahrung und kollektiver Erwartung

Vortrag von Dr. Inga Anderson (Kulturwissenschaftlerin, Bonn)

Trauerrituale und deren Verhaltensregeln verlieren zusehends ihre Verbindlichkeit, so wird in der Kulturgeschichte der Trauer häufig argumentiert. Von Trauernden wird kaum noch verlangt, dass sie ihrer Trauer in der Öffentlichkeit in einer bestimmten Form Ausdruck verleihen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass es heute keine Erwartungen mehr an Trauernde gäbe: Auch dort, wo es um individuelle und private Trauererfahrungen geht, spielen Bilder guter Trauer eine große Rolle. Dies gilt besonders, wenn Trauer in den Fokus der Wissenschaft rückt. Normative Vorstellungen regeln hier, was gute und was schlechte Trauer ist, wie lange Trauer gesund ist und wann sie pathologisch wird, oder wo aus einer angemessenen Form der Trauer eine zu intensive wird. Einige dieser Vorstellungen will der Vortrag ins Blickfeld rücken. Mit Trauer-Debatten aus der Psychologie und aus Philosophie werden zwei Diskurse betrachtet, die sehr unterschiedliche Argumente formulieren. Gleichzeitig teilen sie aber einen Bezugspunkt: Sigmund Freuds »Trauer und Melancholie« (1917), der vielleicht erste Versuch, eine Theorie individueller, affektiver Reaktionen auf Verlust zu entwickeln.
Diesen Debatten stellt der Vortrag schließlich solche Bilder gegenüber, die Künstlerinnen und Künstler in Situationen des Abschieds und Verlusts entwerfen. In Positionen wie denen von Seiichi Furuya, dessen Arbeiten auch in der aktuellen Ausstellung vertreten sind, sind individuelle und kollektive Trauermomente auf eine Weise miteinander verbunden, die quer zu wissenschaftlichen Trauer-Theorien liegt.

Teilnahme: im Eintritt enthalten
Ort: Werner-Otto-Saal

Eine Kooperation mit den Freunden der Kunsthalle

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