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Entfesselte Natur

Das Bild der Katastrophe seit 1600

Ob VulkanausbrĂŒche, FeuersbrĂŒnste, Überschwemmungen, Erdbeben oder SchiffbrĂŒche: Katastrophen sind allgegenwĂ€rtig. Sie sind unberechenbar, oft existentiell, wiederholen sich in steter RegelmĂ€ĂŸigkeit und prĂ€gen so unser Leben. Die Bilder, die wir uns von diesen Katastrophen machen und die unsere Wahrnehmung beeinflussen, gehen auf eine jahrhundertelange Tradition kĂŒnstlerischer Katastrophenbilder zurĂŒck. Nahezu 200 Werke spannen einen Bogen von 1600 bis in die aktuelle Gegenwart und erzĂ€hlen eindrĂŒcklich, wie KĂŒnstler_innen frĂŒher und heute unsere Bilder und Vorstellungen von Naturkatastrophen maßgeblich geformt haben. Bei allen Unterschieden in der Darstellung durch die Jahrhunderte hinweg wird dabei eines sehr deutlich: Die Bilder lassen uns nicht kalt. Sie ziehen uns in ihren Bann, appellieren an unser GefĂŒhl und regen zum Nachdenken an – ĂŒber uns und ĂŒber die Welt, in der wir leben.

Der besondere Reiz dieser großen, epochen- und medienĂŒbergreifenden Ausstellung besteht in der rĂ€umlichen ZusammenfĂŒhrung von Werken, die in ihrer jeweiligen Entstehungszeit Jahrhunderte voneinander getrennt sind. Zu sehen ist dabei die gesamte Bandbreite kĂŒnstlerischen Schaffens: GemĂ€lde, Zeichnungen, Graphiken, Skulpturen, Fotografien, Filme und Videos.

Katastrophen sind allgegenwĂ€rtig. Pausenlos berichten die Medien ĂŒber Naturereignisse, Kriegshandlungen, politische UmbrĂŒche oder anderweitige Krisenszenarien und greifen fĂŒr deren Charakterisierung auf den Begriff der Katastrophe zurĂŒck. Auch Naturkatastrophen geschehen nicht einfach, sie werden gemacht. Denn erst in ihrer Rezeption, in der aktiven Auseinandersetzung mit derart einschneidenden Ereignissen erhalten sie ihre Kontur und offenbaren ihr charakteristisches Gesicht. Jedes Zeitalter macht sich seine Katastrophen und definiert diejenigen Kriterien neu, nach denen bestimmte Ereignisse erst als solche etikettiert werden können. Die Ausstellung beleuchtet dabei auch das Scheitern des Menschen an der Natur, etwa in Folge seiner TechnikglĂ€ubigkeit.

Neben Arbeiten aus den BestĂ€nden der Hamburger Kunsthalle kommen zentrale Leihgaben aus renommierten Museen und Sammlungen, darunter aus dem MusĂ©e du Louvre und dem MusĂ©e d’Orsay in Paris, der National Gallery und dem Victoria and Albert Museum in London und dem Kunsthaus ZĂŒrich.

Zur Ausstellung erscheint ein reich bebilderter Katalog, der sÀmtliche Exponate in Einzelkommentaren vorstellt. Die in der Publikation enthaltenen FachbeitrÀge verorten das komplexe Thema in der aktuellen Katastrophen-Forschung.

Die Ausstellung ist eine Kooperation der Hamburger Kunsthalle mit dem Lehrstuhl fĂŒr Kunstgeschichte / Bildwissenschaften der UniversitĂ€t Passau.

Gefördert von: Freunde der Kunsthalle e. V., Behörde fĂŒr Kultur und Medien der Freien und Hansestadt Hamburg, Malschule in der Kunsthalle e.V. und Hamburger Feuerkasse Versicherungs-AG
Medienpartner: Hamburger Abendblatt
Kulturpartner: NDR Kultur

Mit Werken von


Nicolai Abilgaard (1743–1809), Andreas Achenbach (1815–1910), Jan Asselijn (um 1610 – 1652), FĂ©lix Auvray (1800–1833), Jakob Becker (1810–1872), Oscar Begas (1828–1883),Josef Bergler d. J. (1753–1829), Hermann Biow (1803–1850), Julius von Bismarck (*1983), Leonaert Bramer (1596–1674), Franz Ludwig Catel (1778–1856), Henri-Guillaume Chatillon (1780–1856), Johan Christian Dahl (1788–1857), Henri-Pierre Danloux (1753–1809), Auguste Desperret (1804–1865), Christoph Draeger (*1965), Elger Esser (*1967), Kota Ezawa (*1969), Pietro Fabris (tĂ€tig 1740–1792), Maso Finiguerra (1426–1464), John Flaxman (1755–1826), Giovanni Battista Franco (1510 – um 1561), Caspar David Friedrich (1774 –1840), Johann Heinrich FĂŒssli (1741–1825), Oliviero Gatti (1579–1648), Jacob Gensler (1808–1845), Martin Gensler (1811–1881), ThĂ©odore GĂ©ricault (1791–1824), James Gillray (1757–1815), Alexis-Francois Girard (1787–1870), Anne-Louis Girodet de Roucy-Trioson (1767–1824), Filippo Giuntotardi (1767–1831), Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832), Hendrick Goltzius (1558–1617), Cornelis Cornelisz. van Haarlem (1562–1638), Jakob Philipp Hackert (1737–1807), August Haun (1815–1894), Daniel van Heil (1604–1664), Marikke Heinz-Hoek  (*1944), Wenzel Hollar (1607–1677), EugĂšne Isabey (1803–1886), Christian Jankowski (*1968), Rudolf Jordan (1810–1887), Hermann Kauffmann d. Ä. (1808–1889), Martin Kippenberger (1953-1997), Ferdinand Kobell (1740–1799), Thomas Kohl (*1960), Jacques-Philippe Lebas (1707–1783), HĂ©ctor Leroux (1829–1900), Carl Friedrich Lessing (1808–1880), William Lodge  (1649–1689), Melchior Lorck (1526/27 – nach 1583), Philippe-Jacques de Loutherbourg (1740–1812), Caspar Luyken (1672–1708), Bernhard Martin (*1966), John Martin (1789–1854), Johan Mayr (Lebensdaten unbekannt), Felix Meyer (1653–1713), Johann Georg Meyer  (1813–1886), Mime Misu (1888–1953), Aert van der Neer (1603/04–1677), Marcel Odenbach (*1953), Olphaert den Otter  (*1955), August Pezzey d. J. (1875–1904), Bartolomeo Pinelli (1781–1835), Giovanni Battista Piranesi (1720–1778), Tommaso Piroli (um 1750/52 – 1824), Egbert Lievensz. van der Poel (1621–1664), Friedrich Preller (1804–1878), Josef Carl Berthold PĂŒttner (1821–1881), Johann Heinrich Ramberg (1763–1840), Jean-Baptiste Regnault (1754–1829), Hubert Robert (1733–1808), Friedrich von Rohde (Lebensdaten unbekannt), Charles Roß (1816–1858), Francesco Rosselli (1445 – vor 1513), Aloys Rump (*1949), Jean-Pierre Saint-Ours (1752–1809), Karin Sander(*1957), Christian Friedrich Scheib (1737–1810), Hans-Christian Schink (*1961), Julius Schnorr von Carolsfeld (1794–1872), Uta Schotten (*1972), Giorgio Sommer (1834–1914), Valentin Sonnenschein (1749–1828), Otto Speckter (1807–1871), Thomas Struth (*1954), Johann Georg Trautmann (1713–1769), Gillis van Valckenborch (1570–1622), Pierre-Henri de Valenciennes (1750–1819), VALIE EXPORT (*1940), Dirck Jacobsz. Vellert (um 1480/85 – um 1547), Claude-Joseph Vernet (1714–1789), Simon Jacobsz. de Vlieger (um 1601 – 1653), Pierre-Jacques Volaire (1729–1799), Marten de Vos (1532–1603/04), Georg Wasner (*1973), Adam Willaerts (1577–1664), Joseph Wright of Derby (1734–1797), Wilhelm Friedrich Wulff (1808-1882), Michael Wutky (1739–1823)

Themen der Ausstellung

Mythische Katastrophen

Vor 1800 griffen KĂŒnstler fĂŒr die Darstellung von Weltuntergangsszenarien und Naturkatastrophen fast durchgĂ€ngig auf Themen der Bibel oder der antiken Mythologie zurĂŒck. Nach christlicher Deutung ist der Ausbruch elementarer Naturgewalt Ausdruck göttlichen Zorns, der das Fehlverhalten der Menschen ahndet. Getragen werden die heilsgeschichtlichen und mythischen Szenen von einzelnen Helden, so zum Beispiel Noah, dessen Familie von der Sintflut verschont blieb oder Aeneas, der dem Brand von Troja entkommen konnte. Nach 1800 rĂŒcken jedoch eher anonyme Figuren in den Vordergrund, deren Verzweiflung sich unmittelbar auf den Betrachter ĂŒbertrĂ€gt. Diese Eigenschaft bildet eine der Grundbedingungen des modernen Katastrophenbildes.

Friedrich von Rohde (Lebensdaten unbekannt): Die Sintflut, 1841, Öl auf Leinwand, 99 x 129 cm, © Hamburger Kunsthalle

Elementare Gewalt und Dokumentation 

Nach antiker Vorstellung setzte sich die Natur und alles Sein aus den vier Elementen Feuer, Wasser, Erde und Luft zusammen. Im Laufe des 17. Jahrhunderts kamen zu diesem NaturverstĂ€ndnis Darstellungen von tatsĂ€chlich stattgefundenen Ereignissen hinzu: Überschwemmungen, FeuersbrĂŒnste, Explosionen und andere UnglĂŒcksfĂ€lle. In den Reaktionen der KĂŒnstler auf diese Begebenheiten der eigenen Gegenwart ist ein Spannungsfeld zwischen kĂŒnstlerischen AnsprĂŒchen, der Inszenierung von Echtheit und einem dokumentarischen Anspruch wird erkennbar, das bis in unsere heutige Zeit nachwirkt. GemĂ€lden des 17. Jahrhunderts ist mit Kunstwerken unserer Gegenwart gemein, dass sie beide hĂ€ufig auf Augenzeugenberichten oder auf vor Ort gemachten Erfahrungen beruhen. In unserer Zeit werden reale Katastrophen vor allem ĂŒber die Berichterstattung in den Medien wahrgenommen. Die jederzeit verfĂŒgbaren Informationen und Bilder spiegeln sich auch in der kĂŒnstlerischen Auseinandersetzung.

   

links: Jan Asselijn (1610–1652): Bruch des St. Anthonisdeichs nahe Amsterdam 1651, 1651, Öl auf Leinwand, 85,5 x 108,2 cm © Rijksmuseum, Amsterdam

rechts: Kota Ezawa (*1969): Flood, 2011 (Flut), Leuchtkasten, 100 x 150 cm © Courtesy the artist and Galerie Anita Beckers, Frankfurt a.M.

Der Wendepunkt – Katastrophen als neue Mythen

Der Begriff »Katastrophe« entstammt der antiken Tragödie und ist bis ins 18. Jahrhundert untrennbar mit ihr verbunden. Er steht fĂŒr den Wendepunkt innerhalb der Handlung. Mit Beginn der AufklĂ€rung wurde dieser Begriff erweitert und auch auf Naturkatastrophen und historische Ereignisse angewendet. Darstellungen von Naturkatastrophen wurden im ĂŒbertragenen Sinne als gesellschaftliche UmbrĂŒche verstanden. Vor diesem Hintergrund konnten moderne Mythen entstehen: Das Erdbeben von Lissabon 1755 gilt bis heute als Wendepunkt, der den Übergang von der alten christlichen Ordnung hin zum Zeitalter der AufklĂ€rung markiert.

Anonym: Erdbeben in Lissabon 1755, um 1760, Kupferstich und Radierung, 18,2 x 21 cm, Germanisches Nationalmuseum NĂŒrnberg

Eruptionen

Im spĂ€ten 18. Jahrhundert entwickelten sich Vulkane zu einem zentralen Untersuchungsgegenstand der Naturwissenschaften, weil man sich von ihnen AuskĂŒnfte ĂŒber die Erdentstehung versprach. In derselben Zeit etablierte sich in der Kunst der Vesuv rasch zu einem beliebten Motiv, insbesondere der Vesuvausbruch des Jahres 79. n. Chr., infolgedessen die StĂ€dte Pompeji und Herculaneum unter den Lavamassen begraben wurden wurde . Dank antiker Quellen war dieses Ereignis zwar bereits lange Zeit bekannt, jedoch bedurfte es erst der Ausgrabungen dieser StĂ€dte im Laufe des 18. Jahrhunderts, damit dieses Thema zu einem zentralen Motiv der KĂŒnste werden konnte. Das Ziel dieser Darstellungen bestand mitunter darin, den Betrachter aus sicherer Distanz mittels schaurig-schöner Motive zu fesseln, um dabei die GrĂ¶ĂŸe und Macht der Natur erlebbar zu machen.

Wutky (1739–1822): Vesuv-Ausbruch, um 1796: Öl auf Leinwand, 137,1 x 120,5 cm, Kunstmuseum Basel © Kunstmuseum Basel, Martin P. BĂŒhler

ErschĂŒtterungen

Erdbeben treten in unterschiedlichen IntensitĂ€ten auf. Oftmals nehmen wir kleinere ErschĂŒtterungen gar nicht wahr. Die langfristigen Folgen der tektonischen Verschiebungen erschließen sich uns nicht auf den ersten Blick. Zuweilen können sie aber eine solche Kraft entwickeln und ganze StĂ€dte und Regionen dem Erdboden gleich machen, Tausende von Menschenleben zerstören sowie unsere Lebensgrundlage vernichten. Die Kunst fast sowohl das Moment der Katastrophe selbst ins Auge als auch deren NachtrĂ€glichkeit. Neben einem oftmals dokumentarischen Anspruch kann es aber auch um eine abstrakte Erfassung der SchĂ€den gehen. Einige Arbeiten setzen dabei auf affektive Strategien, indem sie das menschliche Leid in den Vordergrund rĂŒcken. VALIE EXPORTS raumgreifende Installation bedient sich eines Pressefotos, das trauernde Frauen nach einem Erdbeben in Indien zeigt.

VALIE EXPORT (*1949): Red. Date: 1993o93oKillari Village, 1994, 4-teiliger Jetprint auf PCV-Netz, Metallrahmen, Courtesy of the artist

FeuersbrĂŒnste

BrĂ€nde haben das Leben der Menschen seit jeher in besonderem Maße mitbestimmt. Bis in die Jahre um 1600 begegnen diese in der Kunst aber noch nicht als eigenstĂ€ndiges Bildmotiv. Erst im Laufe des 17. Jahrhunderts, insbesondere in den Niederlanden, finden die sogenannten brandjes, also Brandszenen ihren Weg in die Kunst. Diese Bilder zeigen meist aber keine bestimmten Ereignisse. Es handelt sich eher um nicht nĂ€her lokalisierbare, unspezifische FeuersbrĂŒnste, die oftmals mit einer Nachtdarstellung zusammengefĂŒhrt wurden. Einige KĂŒnstler spezialisierten sich auf dieses Thema, um ihre Meisterschaft in der effektvollen Wiedergabe der nĂ€chtlichen Lichtwirkungen demonstrieren zu können.

Egbert Lievensz. van der Poel (1621-1664): NĂ€chtliche Feuersbrunst mit löschenden Dorfbewohnern, um 1669, Öl auf Holz, 46.5 x 63 cm, Museumsquartier OsnabrĂŒck, Kulturgeschichtliches Museum, Sammlung Gustav StĂŒve

1842 Hamburg brennt

Vom 5. bis zum 8. Mai 1842 wurde Hamburg von einer gewaltigen Feuersbrunst heimgesucht. Das Flammeninferno zerstörte ein Drittel der Hamburger Innenstadt mit WohnhĂ€usern, Kirchen und anderen öffentlichen GebĂ€uden und ließ 20.000 Menschen obdachlos. AnlĂ€sslich dieser Jahrhundertkatastrophe kam eine FĂŒlle an bildlichen Darstellungen auf den Markt, was die enorme Nachfrage nach derartigen Erzeugnissen belegt. Die Brandwunden der Stadt wurden nicht nur in Form von GemĂ€lden, Zeichnungen und Grafiken eingefangen, sondern bereits in der drei Jahre zuvor erfundenen fotografischen Technik der Daguerreotypie. Dabei zĂ€hlen die erhaltenen Werke sogar weltweit zu den ersten, die eine derartige Katastrophe dokumentieren.

Jacob Gensler (1808–1845): Hamburg nach dem Brande von 1842, 1842, Öl auf Mahagoniholz, 45,2 x 52,9 cm © Hamburger Kunsthalle / bpk, Foto: Elke Walford

Das Genre entdeckt die Katastrophe

Im 19. Jahrhundert wurde in der deutschen Malerei die Entwicklung von der Romantik zum Realismus stark von der DĂŒsseldorfer Malerschule geprĂ€gt. Diese einflussreiche, 1819 neugegrĂŒndete Kunstakademie belebte ab dem zweiten Drittel des Jahrhunderts die Genremalerei wieder. Zuvor galt die Historienmalerei als ranghöchste Gattung – nun wurden vermehrt tragische Ereignisse im Leben der einfachen Leute und der Landbevölkerung zum Gegenstand ambitionierter Kompositionen. Über Gesten und Haltungen wurde dabei bewusst der Bezug zur christlichen Kunst gesucht. Was unser vielbeschĂ€ftigtes Auge als ĂŒbertrieben sentimental und gefĂŒhlsbetont empfinden mag, galt dem damaligen Publikum als wirklichkeitsnah und wie aus dem Leben gegriffen. Die Vertreter der DĂŒsseldorfer Malerschule trafen damit den Nerv der Zeit.

Jakob Becker(1810-1872): Das Gewitter, 1841, Öl auf Leinwand, 39x52cm, Stiftung Sammlung Volmer, Wuppertal

UntergÀnge I

Das Befahren der See war stets mit Gefahren verbunden. Davon erzĂ€hlen auch SchiffbrĂŒche, die sich auf GemĂ€lden des 18. Jahrhunderts immer wieder an fremdlĂ€ndisch anmutenden SteilkĂŒsten ereignen. Kompositorisch nehmen KĂŒnstler aber auch oft die Betrachtenden in den Blick. Durch eine emotionale Ansprache erfĂŒllen sie die Sehnsucht nach intensiven GefĂŒhlen. ÜberwĂ€ltigende NaturphĂ€nomene und menschliche Katastrophen – aus sicherem Abstand heraus betrachtet – riefen dabei einen gewollten Schauder hervor. Neben VulkanausbrĂŒchen galten SchiffbrĂŒche im ausgehenden 18. Jahrhundert als die bevorzugten Motive fĂŒr erhabene Wirkungen in der Kunst.

Claude-Joseph Vernet (1714–1789): Der Schiffbruch, 1762, Öl auf Leinwand, 40 x 31 cm © MusĂ©es d’art et d’histoire, Legs, Gustave Revilliod, Genf

UntergÀnge II

Darstellungen von SchiffbrĂŒchen waren im Zeitalter der Romantik besonders beliebt. Diese Bilder zeigen die Natur in ihrer ganzen GrĂ¶ĂŸe, an deren Übermacht der Mensch trotz fortschrittlicher Technik scheitert. Selten wurden jedoch SchiffbrĂŒche gezeigt, die sich auch tatsĂ€chlich ereignet haben. Erst im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts stießen reale Schiffskatastrophen auf ein ausnehmend breites Echo in den damaligen Medien, die in einer neuartigen AusfĂŒhrlichkeit vom Hergang des UnglĂŒcks, den Überlebenden und ihren Rettern berichteten. KĂŒnstler griffen auf diesen Stoff zurĂŒck und brachten ihn vermehrt mit einer besonderen Drastik auf ein monumentales Format. Mit dem Untergang der Titanic wurde schließlich 1912 der Mythos vom unsinkbaren Ozeanriesen nachhaltig erschĂŒttert – um bis in unsere Zeit nachzuwirken.

Uta Schotten (*1972): O.T., 2017, Öl und Enkaustik auf Leinwand, 70 x 80 cm, Privatbesitz, Courtesy the artist © VG Bild-Kunst, Bonn 2018

Das Floß der Medusa – GĂ©ricault und die Folgen

Das im Louvre befindliche GemĂ€lde Das Floß der Medusa, 1819 von ThĂ©odore GĂ©ricault geschaffen, fußt auf dem gleichnamigen Augenzeugenbericht zweier Überlebender der Schiffskatastrophe. Die Fregatte Medusa war 1816 auf ihrem Weg in den Senegal auf Grund gelaufen. Da es zu wenig Rettungsboote gab, wurde ein Floß gebaut, das um die 150 Menschen retten sollte. Aber die Seile zu den Booten wurden gekappt und die SchiffbrĂŒchigen war somit sich selbst ĂŒberlassen. Nach einem zwölftĂ€gigen Kampf um Leben und Tod auf offenem Meer ĂŒberlebten nur 15 Menschen, bis das rettende Schiff kam. Einen solchen politischen Skandal ins Bild zu setzen, war ein Novum und eine Provokation zugleich. Das GemĂ€lde wurde seit seiner Entstehung intensiv rezipiert. Die zeitgenössische Kunst greift verschiedene Aspekte auf, die dem Vorbild innewohnen: Von der Auseinandersetzung mit der eigenen Sterblichkeit und Selbstbefragung ĂŒber eine Medienreflexion zum Status des Bildes, Überlegungen zur Kanonisierung von Kunst bis hin zu Aktualisierungen der Themen Ausgrenzung, Macht sowie Schuld reichen die AnsĂ€tze der prĂ€sentierten Arbeiten.

Christian Jankowski(*1968): Neue Malerei – GĂ©ricault, 2016, Öl auf Leinwand, 491 x 716 cm, Courtesy of the artist and CFA, Berlin

Endzeit

In den Jahren um 1800 verdĂŒsterte sich das Weltbild, so auch in den KĂŒnsten. Es entstanden auffallend viele Werke, die vom Ende der Welt und damit auch vom Ende der Menschheit handeln. WĂ€hrend diese Vorstellungsbilder in den Jahrhunderten davor hauptsĂ€chlich aus der Bibel stammten, haben die romantischen Untergangsvisionen ihre Verbindung zur christlichen Religion gelockert. Eine Konsequenz daraus war, dass der Mensch nicht mehr auf Gottes Beistand hoffen konnte.

In unserer Zeit ist wieder eine stĂ€rkere Hinwendung zu diesen grundsĂ€tzlichen Fragen zu beobachten. Terrorismus, Kriege, Naturkatastrophen und kosmische PhĂ€nomene werden als Bedrohungen empfunden, die mit dem Wissen um das mögliche Ende der Welt und unserer Existenz kurzgeschlossen werden. In Literatur, bildender Kunst und insbesondere im Medium des Films finden sich diverse Positionen, die dem Thema des Weltuntergangs und der Figur des letzten Menschen auf unterschiedliche Art und Weise nachgehen. Neu und unserem vermeintlich hohen Entwicklungsstand der Zivilisation geschuldet ist nun, dass es die Menschen selbst sind, die den zukĂŒnftigen Bestand der Erde gefĂ€hrden.

Christoph Draeger (1965): The Rd., 2013, synchronized two-channel video installation, 7:48 Min., Courtesy of the artist

Audioguide zur Ausstellung

BeschreibungAudio
JEAN-BAPTISTE REGNAULT (1754-1829) Die Sintflut, 1789
VALIE EXPORT (*1940) Rec Date: 1993o93oKillari Village, 1994
JACOB GENSLER (1808–1845) Hamburg nach dem Brande von 1842, 1842

Kinderguide zur Ausstellung

BeschreibungAudio
JEAN-BAPTISTE REGNAULT (1754-1829) Die Sintflut, 1789
VALIE EXPORT (*1940) Rec Date: 1993o93oKillari Village, 1994
JACOB GENSLER (1808–1845) Hamburg nach dem Brande von 1842, 1842

FĂŒr die Sonderausstellung »Entfesselte Natur. Das Bild der Katastrophe seit 1600« bietet der von linon Medien produzierte Mediaguide (deutsch und englisch) diesmal auch eine FĂŒhrung fĂŒr Kinder im Alter wischen 6 und 12 Jahren. (deutsch) 
Mit dem GerĂ€t in der Hand können alle kleinen und grĂ¶ĂŸeren Entdecker_innen die Ausstellung auf eigene Faust erkunden. Ausstellungsidee und -inhalte wurden kinderfreundlich und abwechslungsreich aufbereitet. Anhand von 15 Stationen können sich die jungen Besucher_innen innerhalb einer knappen Stunde die Ausstellung erschließen.

Sie erhalten den Audioguide  im Foyer der Hamburger Kunsthalle fĂŒr 4 €. Den Kinderguide erhalten Sie fĂŒr 3 €.

Aktuelle Veranstaltungen

Aktuell finden keine Termine statt.