
Thomas Gainsborough
Thomas Gainsborough (1727-1788) kann als Wegbereiter der âșmodernenâč Landschaftsmalerei um 1800 gelten. WĂ€hrend die englische Gesellschaft Gainsborough als PortrĂ€tmaler verehrte, zog er selbst seine Landschaften den PortrĂ€ts vor. In ihnen werden WidersprĂŒche und UmbrĂŒche fassbar, die England grundlegend verĂ€ndern sollten â sozial, technisch und kĂŒnstlerisch. Die Landschaftsmalerei nutzte Gainsborough in dieser Situation als ein Laboratorium, in dem er seine EindrĂŒcke zu Innovationen verarbeitete: Er experimentierte mit Farben und unterschiedlichsten Techniken, malte Bilder auf Glas und kombinierte Naturmaterialien zu Landschaftsmodellen. Gainsborough etablierte England so als Zentrum der europĂ€ischen Landschaftsmalerei â und schuf dabei gleichzeitig Bilder von zeitloser Kraft und malerischer Raffinesse. Erstmals in Deutschland widmet die Kunsthalle dem englischen KĂŒnstler eine groĂe Ausstellung. Mit rund 80 Werken â darunter englische Ikonen wie âșMr. and Mrs. Andrewsâč â verspricht sie eine groĂe Entdeckung dieses herausragenden Malers fĂŒr das deutsche Publikum.
Die Leihgaben kommen u. a. aus den wichtigsten britischen Sammlungen wie der National Gallery, der Tate Gallery und dem Victoria and Albert Museum in London, aus dem Barber Institute in Birmingham, sowie aus den Staatlichen Museen zu Berlin, den Bayerischen StaatsgemĂ€ldesammlungen MĂŒnchen und aus Privatsammlungen in Deutschland und GroĂbritannien. Unter den Werken sind Ikonen der britischen Malerei wie Mr. and Mrs. Andrews und Die TrĂ€nke, die im englischsprachigen Raum zu den bekanntesten GemĂ€lden ĂŒberhaupt gehören.
Die Ausstellung knĂŒpft an eine lange Tradition der Hamburger Kunsthalle an, die seit dem legendĂ€ren Zyklus Kunst um 1800 des ehemaligen Direktors Werner Hofmann immer wieder die Zeit des Umbruchs um 1800 als Beginn der Moderne in den Fokus rĂŒckt. ErgĂ€nzend zu der deutschen Romantik, die in der Sammlung der Kunsthalle stark vertreten ist, und der französischen Kunst dieser Zeit, stellt die Schau mit Gainsborough England als weiteres Zentrum der europĂ€ischen Landschaftsmalerei vor.
Ein reich bebilderter wissenschaftlicher Katalog u. a. mit BeitrĂ€gen von Christoph Martin Vogtherr, Bettina Gockel, Rica Jones, Mark Hallet und Mark Bills in einer deutschsprachigen und einer englischsprachigen Ausgabe begleitet die Ausstellung (Hirmer Verlag, MĂŒnchen). Die Publikation ist im Museumsshop  online erhĂ€ltlich.
Ein Multimedia-Guide ist in deutscher und englischer Sprache erhÀltlich.
Die Ausstellung entstand in enger Kooperation mit Gainsborough's House in Sudbury.
Gefördert von: Behörde fĂŒr Kultur und Medien der Freien und Hansestadt Hamburg, Freunde der Kunsthalle e. V. und Paul Mellon Centre for Studies in British Art
Medienpartner:  Hamburger Abendblatt          Kulturpartner:  NDR Kultur
Themen der Ausstellung
Thomas Gainsborough. Die moderne Landschaft prÀsentiert Gainsboroughs Werk als Landschaftsmaler in folgende Themenkapitel:
NiederlÀndische Vorbilder
Thomas Gainsborough orientierte sich in seinen frĂŒhen GemĂ€lden an niederlĂ€ndischer Landschaftsmalerei des 17. Jahrhunderts. Zu seiner Zeit wurde sie sehr geschĂ€tzt, und Gainsborough konnte sie in vielen privaten Sammlungen studieren. Er selbst hatte die Niederlande zunĂ€chst nicht besucht. Die alltĂ€glichen Motive und die einfach erscheinende Komposition nahm sich der junge Maler zum Vorbild. An ihnen schulte er sich, um sich weiterzuentwickeln, denn die Malerei seiner englischen Zeitgenossen war oft noch provinziell. Er erreichte in seiner Landschaftsmalerei Klarheit und Tiefe. Die GemĂ€lde nehmen AtmosphĂ€ren auf und werden zum StimmungstrĂ€ger. Auch wenn die Landschaften frei komponiert sind, wirken sie immer in sich stimmig und wie direkte Beobachtungen.
Thomas Gainsborough (1727â1788):Â Landschaft mit Hirten, um 1746/47, Ăl auf Leinwand, 49 x 65,5 cm, Sudbury, Gainsborough's House Society
Zugriff auf die RealitÀt
Unter dem Thema Der Zugriff auf die RealitĂ€t vergleicht die Ausstellung frĂŒhe Werke Gainsboroughs wie Holywells Park mit Landschaften niederlĂ€ndischer KĂŒnstler aus der Sammlung der Hamburger Kunsthalle. Hier wird deutlich, wie der KĂŒnstler Techniken der Komposition, der Perspektive, der atmosphĂ€rischen Darstellung lernte und die Bedeutung der Landschaft als StimmungstrĂ€ger zu einem wichtigen Aspekt seiner GemĂ€lde entwickelte. In fĂŒr England im frĂŒhen 18. Jahrhundert typischer Weise knĂŒpfte Gainsborough eng an die europĂ€ische Tradition an, um auf dieser Grundlage eine eigenartige und neuartige Kunst zu entwickeln. Insbesondere das VerhĂ€ltnis von Mensch und Landschaft interessierte Gainsborough, die Verbindung mit und die EinfĂŒhlung in die Natur, die im Begriff der Empfindsamkeit (»sensibility«) zum Ausdruck kam.
Thomas Gainsborough (1727â1788): Holywells Park, um 1748â1750, Ăl auf Leinwand, 50,8 x 66 cm, Ipswich Museum and Gallery © Ipswich Museum and Gallery
Die soziale Landschaft
Das Kapitel Die soziale Landschaft zeigt, wie Gainsboroughs Landschaftskunst die groĂen sozialen UmbrĂŒche der Zeit spiegelte und ihnen Ausdruck gab. Der KĂŒnstler prĂ€sentierte Menschen in der Landschaft zwischen Armut und Idylle und versuchte mit jedem Bild etwas zu fassen, fĂŒr das es noch keine eindeutige Formulierung gab. Die zunehmende Privatisierung des Gemeindelandes sorgte in England dafĂŒr, dass groĂe Teile der Landbevölkerung verarmten und als billige ArbeitskrĂ€fte in die StĂ€dte abwanderten. Gleichzeitig wurde der private Landbesitz zum Statussymbol. Gainsborough nĂ€herte sich dieser Entwicklung von Seiten der Besitzenden und der Verarmenden. Die lĂ€ndliche Migration wird, wie in dem Hauptwerk Erntewagen, zum zentralen Thema in seinen spĂ€ten Landschaften.
Thomas Gainsborough (1727â1788): Waldlandschaft mit Wagen (»Der Erntewagen«), um 1766, Ăl auf Leinwand, 120,7 x 144,8 cm, Birmingham, The Barber Institute of Fine Arts © The Barber Institute of Fine Arts, Birmingham
Der kreative Schaffensprozess
Technisch schufen zu dieser Zeit die Weiterentwicklung der Dampfmaschine und die Erfindung des mechanischen Webstuhls die Voraussetzung fĂŒr die frĂŒhe Industrialisierung. Die Ausstellung veranschaulicht unter dem Thema Der kreative Prozess, wie auch die englische Malerei von diesem Ideal der Innovation angetrieben wird. Die Landschaftskunst Gainsboroughs wird zum technischen und intellektuellen Laboratorium: Um bestimmte Wirkungen in seinen Zeichnungen zu erreichen und die Grenzen der Gattung immer wieder aufs Neue zu erweitern, experimentierte er mit Farben und unterschiedlichsten Techniken wie Aquatinta und Weichgrundradierung, verwendete Magermilch oder malte Bilder auf Glas. Mit KĂŒstenlandschaft mit Segelschiffen wird eines dieser Ă€uĂerst empfindlichen Werke auf Glas ausgestellt, das ursprĂŒnglich in einem von Gainsborough konstruierten Guckkasten prĂ€sentiert wurde, und in der Schau wieder von hinten beleuchtet zu erleben ist.
Thomas Gainsborough (1727â1788): KĂŒstenlandschaft mit Segelschiffen, um 1783, Ăl auf Glas, 27,9 x 33,7 cm, London, Victoria and Albert Museum © Victoria and Albert Museum, London
Die Auflösung der Malerei
Wie radikal Gainsborough Licht und Farbe zum Ausgangspunkt seiner Malerei machte, zeigen seine spÀten Werke. Stimmung und AtmosphÀre der Szenen werden zu ihrem Hauptgegenstand. Die Figuren und ihre Umgebung sind nicht mehr klar voneinander abgegrenzt. Die Konturen zwischen den Elementen lösen sich auf.
Beim GemĂ€lde Amelia Charlotte, Frances, Harriot und Charles Marsham (»Die Marsham-Kinder«) sind Gainsboroughs Pinselstriche mitunter so frei, so dynamisch, dass sie hier und da die Grenzen der Bildelemente auflösen und die Kinder mit der Pflanzenwelt verschmelzen â als seien die Kinder selbst ein Teil dieser verehrten und geachteten Natur.
Eine besondere QualitĂ€t dieser GemĂ€lde ist, dass sie in Nahsicht deutlich den Pinselstrich des Malers zeigen, und gleichzeitig in der Fernsicht eine schlĂŒssige Gesamtwirkung erreichen. Gainsborough hatte genaue Vorstellungen darĂŒber, in welcher Höhe seine Werke in den AusstellungsrĂ€umen der Royal Academy hĂ€ngen sollten. Um die optimale Wirkung seiner Bilder zu garantieren, stritt er hĂ€ufig mit den Verantwortlichen der Royal Academy darĂŒber. Aufbauend auf kunsthistorischen Traditionen entwickelte Gainsborough so eine neue Ăsthetik und wurde damit zukunftsweisend fĂŒr nachfolgende KĂŒnstlergenerationen.
Thomas Gainsborough (1727-1788): Amelia Charlotte, Frances, Harriot und Charles Marsham (»Die Marsham-Kinder«), 1787, Ăl auf Leinwand, 242,9 x 181,9 cm, Staatliche Museen zu Berlin, GemĂ€ldegalerie © bpk/GemĂ€ldegalerie, SMB /Jörg P. Anders
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Audioguide zur Ausstellung
Beschreibung | Audio |
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Waldlandschaft mit HĂŒtte am See, vor 1782 | |
KĂŒstenlandschaft mit Segelschiffen, um 1783 | |
Felslandschaft mit einem Hirten und Schafen, 1783 |
FĂŒr die Ausstellung »Thomas Gainsborough. Die moderne Landschaft« konzipierte und produzierte linon die HörfĂŒhrung.
Sie erhalten den Audioguide im Foyer der Kunsthalle fĂŒr 3 âŹ.
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