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Spiegel geheimer Wünsche

Stillleben aus fünf Jahrhunderten

Überbordende Blumenbouquets, blutige Wildbraten, Zinnkelche und Totenschädel – Stillleben faszinieren seit vielen Jahrhunderten Betrachter und Künstler gleichermaßen. Die große Sommerausstellung Spiegel geheimer Wünsche zeigt mehr als 150 Werken aus fünf Jahrhunderten. Über 50 sinnlich-opulente Gemälde aus dem Barock bilden den Schwerpunkt der Ausstellung. Zusammen mit Stillleben des Impressionismus von Gustave Courbet, Auguste Renoir, Claude Monet bis hin zu Max Beckmann und Georges Braque treten sie in einen Dialog mit zeitgenössischen Arbeiten etwa von Mona Hatoum, Thomas Schütte, Jeff Wall, Jörg Sasse, Thomas Demand oder James Hopkins.

Das sorgfältige Arrangement begehrter Gegenstände, von Luxusgütern bis zu erlegtem Wild oder Geflügel, aber auch Früchten, Blumen, Kostbarkeiten und Kuriositäten, beschäftigte Künstler schon im Altertum. Luxus und Genuss, Erotik und Esskultur, Vergänglichkeit und Ewigkeit inspirierten durch die Jahrhunderte zu Kompositionen voller verborgener Symbolik und Doppelbödigkeit, Augentäuscherei und feiner Ironie. Der außergewöhnliche Reiz dieser Malerei liegt in der perfekten Illusion, in der täuschend echten Darstellung, die die Künstler mit Farbe, Pinselduktus und kunstvoller Lichtführung erschaffen.

Allen Stillleben gemeinsam sind eine eigentümliche Rätselhaftigkeit und Sinnlichkeit, die den Betrachter anziehen. Denn was verlockt, sind die Phänomene, die die Künstler vor Augen führen. Das Bild wird zum Spiegel der geheimen Wünsche des Betrachters. Statt eines Abbilds der Wirklichkeit ist es immer auch eine Manipulation derselben. Reichtümer oder Wünsche nach Ewigkeit werden im Bild erfüllt, wenn Blumen nie verblühen, die Zeit nicht verrinnt oder der schöne Augenblick für immer bleibt.

Auch die zeitgenössischen Künstler schrecken keineswegs vor gefüllten Regalen, toten Tieren und gedeckten Tischen zurück. Im Gegenteil – das »gestylte« Interieur mit Objekten voller Bedeutung und Symbolhaftigkeit ist von großem Interesse. Zeitgenössische Stillleben zeugen von veränderten Wahrnehmungsbedingungen und werden immer stärker zu einem Experimentierfeld für neue Stilrichtungen, Materialien und Medien.

Stillleben bannen den Blick, sprechen die Sinne an und bleiben doch immer rätselhaft. Die Gegenstände erscheinen oft so täuschend echt, dass man sie mit den Händen greifen möchte.

Die Ausstellung verfolgt intensiv die Frage, wie die Bilder tatsächlich wirken, wie das Spiel mit der Täuschung, der Illusion und Wahrnehmung funktioniert, und welche Beziehung die kunstvollen Arrangements zum Betrachter aufbauen. Die Schau stellt insbesondere die sensuellen und phänomenologischen Aspekte der Stillleben in den Mittelpunkt: die Illusionseffekte, das Spiel mit Spiegeln, mit reflektierenden Gläsern oder Stoffen und die verschiedenen Strategien der Künstler, die die Wahrnehmung des Betrachters lenken.

In überraschenden Kombinationen treten hier zeitgenössische Werke mit den älteren Gemälden in einen Dialog. Und inmitten der aktuellen Objektwelten zwischen Alltagsleben und Spiritualität tauchen dabei immer wieder die klassischen Motive, wie gedeckte Tische, tote Jagdtiere oder die traditionelle Vanitas-Symbolik auf. James Hopkins Installation Dekadenz und Untergang, ein Regal mit den typischen Objekten eines Jugendzimmers, greift ganz unmittelbar das Thema der Vergänglichkeit des Lebens auf. Mit Abstand betrachtet scheinen deutlich die Konturen eines Totenschädels auf und erinnern an den morbiden Charme der früheren Stillleben-Generationen.

 

Förderer der Ausstellung:
Die  Ausstellung unterstützte ECE
Der Katalog wurde ermöglicht durch UNILEVER