Max Klinger
Alpdrücken, 1879
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Max Klinger

Alpdrücken, 1879

Max Klinger

Alpdrücken, 1879

Die in ihrer Drastik kaum zu überbietende Szene zeigt einen schlafenden Mann, der ohne Zweifel als Max Klinger selbst zu identifizieren ist. Dicht an den vorderen Bildrand gerückt, wird der Kopf des im Bett liegenden Künstlers von einem grauenvollen Nachtmahr bedrängt, der ihm Alpträume beschert. Der enthauptete Inkubus hockt über dem Kopf und kämmt mit der linken Hand die Haare des Künstlers, die in Alpträumen stets eine magische Rolle spielen, während die Finger das linke Auge öffnen, um zu prüfen, ob noch Leben im Körper ist. Die rechte Hand holt soeben zum kräftigen Schlag mit einem wie ein Schürhaken aussehenden metallenen Gegenstand aus. Das abgeschlagene Haupt des Inkubus glotzt mit großen Augen und bleckenden Zähnen den Schlafenden aus allernächster Nähe an. Die wie Gewehrläufe wirkenden Halsschlagadern bedrohen den Träumenden zusätzlich. Der Hintergrund der Szene zeigt mit der stumpfen Rohrfeder tonig schraffierte, unruhig flackernde, dunkle Nacht. Die Figuren hingegen sind klar mit der Feder umrissen.
In Klingers Werk kommen häufiger solch alptraumartige Szenen vor, so unter anderem in dem schon 1878 gezeichneten und drei Jahre später radierten Zyklus "Ein Handschuh" (Opus VI). Dort wird die Rolle des bedrohlichen Inkubus durch den gleich einem Fetisch verehrten Handschuh der geliebten Frau eingenommen. Der Künstler wurde sicher durch zeitgenössische Schauerromane wie auch durch literarische und bildliche Darstellungen von Alpträumen beeinflusst. Im selben Jahr veröffentlichte zum Beispiel Odilon Redon seinen lithographischen Zyklus "Dans le Rêve" ("Im Traum"), in dem zahlreiche körperlose Köpfe herumspuken. Vielleicht kannte der Künstler auch die bereits 1877 in Berlin erschienene Publikation "Der Alp" von Woldemar Cubasch.

Andreas Stolzenburg.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Oben rechts bezeichnet: "Bl. XII."; unten links signiert: "Max Klinger"; unten rechts bezeichnet: "Bruxelles 1879"; auf dem ursprünglichen Untersatzbogen nochmals "Max Klinger" signiert und bezeichnet: "Alpdrücken"

Provenienz

Sammlung Adolph Thiem, Niederschönweide bei Berlin (1897); erworben 1899 aus Staatsmitteln von der Kunsthandlung Richard Wagner, Hamburg

Bibliographie

Kunst aus acht Jahrhunderten, hrsg. von Hamburger Kunsthalle und Freunde der Kunsthalle e.V., Hamburg 2016, S.313, Abb.

Kunkel, Alexander: Heinrich Kley (1863-1945) Meister der Zeichenfelder im Kontext seiner Zeit, Ausst.-Kat. Villa Stuck, München und Hannover 2011, Abb.S. 90

Max Klinger. Eine Liebe, hrsg. von Hubertus Gaßner, Hans-Werner-Schmidt, Ausst.-Kat. Museum der bildenden Künste Leipzig, Hamburger Kunsthalle, Bielefeld u. Leipzig 2007, S.12, Abb., 62, Abb., Abb.XIV

Hamburger Kunsthalle. Museum Guide, Hamburg 2005, S.145, Abb.

Peter Prange, Petra Roettig, Andreas Stolzenburg u. a.: Von Runge bis Menzel. 100 Meisterzeichnungen aus dem Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 2003, S.176, Nr.83, Abb.S. 177

Peter Prange, Petra Roettig, Andreas Stolzenburg u.a.: Ideas on Paper. 100 Masterdrawings from the collections of the Hamburger Kunsthalle (in griech. Sprache), hrsg. von Marilena Cassimatis, Andreas Stolzenburg, Ausst.-Kat. Athen, Nationalgalerie 2003, S.226, Nr.98, Abb.

Carola Schneider: "Und in dieser Verwirrung schreien wir nach Stil!" - Max Klingers Auseinandersetzung mit der Kunst des 19. Jahrhunderts, Aachen, TH, Diss. 1996, S.66-67

Max Klinger. Zeichnungen, Zustandsdrucke, Zyklen, Ausst.-Kat. München, Museum Villa Stuck und Staatliche Graphische Sammlung, München, New York 1996, S.184, Nr.58, Abb.S. 164

Max Klinger 1857-1920, Ausst.-Kat. Städtische Galerie im Städelschen Kunstinstitut, Frankfurt, Leipzig 1992, S.301-302, Nr.92, Abb.S. 144

Von Dürer bis Baselitz. Deutsche Zeichnungen aus dem Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1989, S.156-157, Abb., Nr.72

Hamburger Kunsthalle, hrsg. von Werner Hofmann, München 1989 (2. erw. Aufl.), S.209, Nr.469, Abb.469

Hamburger Kunsthalle, hrsg. von Werner Hofmann, München 1985, S.209, Nr.469, Abb.

Max Klinger. Wege zum Gesamtkunstwerk, Ausst.-Kat. Roemer- und Pelizaeus-Museum, Hildesheim, Mainz 1984, S.29, 271, Nr.49, Abb.S. 14

Hans-Georg Pfeiffer: Max Klingers Graphikzyklen: Subjektivität und Kompensation im künstlerischen Symbolismus als Parallelentwicklung zu den Anfängen der Psychoanalyse, Gießener Beiträge zur Kunstgeschichte, Bd. 5, Gießen 1980, S.32-33, 39, Abb.13

Eckhard Schaar: Die gezeichnete Welt, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle, Hamburg 1977, S.o.S., Abb.

Alexander Dückers: Max Klinger, Berlin 1976., S.136, Abb.123

Stella Wega Matthieu: Max Klinger. Leben und Werk in Daten und Bildern, Frankfurt a.M. 1976, S.104, Abb.30

Franz Hermann Meissner: Max Klinger. Radierungen, Zeichnungen, Bilder und Sculpturen. Mit den drei vollständigen Folgen. Zeichnungen über das Thema Christus; Enwtürfe zu einer griechisch-römischen Gedichtsammlung und "Eine Liebe", Rad. op. X., München 2. Auflage 1914, Abb.43